Unschuldsvermutung
Am Anfang steht ein Vorfall vom 28. Januar 2015 im Haus des Ehepaars im aargauischen Möhlin. Die Aussagen dazu von Bernhard W. und seiner Frau gehen diametral auseinander. Sie sagt, W. habe sie mit einem Kissen im Schlafzimmer ersticken wollen. Anschliessend habe er mit beiden Händen in einem 15-minütigen Kampf versucht, ihr Mund und Nase zuzuhalten. W. bestreitet die Tat. Er sagt, er sei aufgewacht, die Frau habe in Panik geschrien. Mit einem Messer in der Hand sei sie neben dem Bett gesessen. Er habe sie festgehalten. Einen Kampf habe es nie gegeben. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Rheinfelden steht später: Bernhard W. wird der versuchten vorsätzlichen Tötung beschuldigt. Er kommt ins Bezirksgefängnis Kulm, in Untersuchungshaft – und wird erst nach 814 Tagen wieder entlassen. Die Zeit hinter Gittern beschreibt W. als nicht enden wollenden Albtraum. Noch heute kämpft er mit den Folgen der langen Haft, leidet an einer Depression und ist schwer traumatisiert. Wer in U-Haft sitzt, für den gilt die Unschuldsvermutung. Trotzdem hiess U-Haft für W.: 23 Stunden pro Tag in der Zelle eingesperrt zu sein und eine Stunde Bewegung im verglasten, belüfteten Spazierhof. Die Reporter Roman Banholzer und Simon Christen berichten über einen Menschen, der die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekam – und im erstinstanzlichen Prozess vor dem Bezirksgericht Rheinfelden freigesprochen wurde. Heute steht er vor den Trümmern seiner einstigen Existenz und versucht, sich zurück ins Leben zu kämpfen.